Russland um 1900

Von der
Ostsee bis an den Pazifik, von der Nordsee bis Afghanistan.
Zar
Nikolai II. regierte ein riesiges Imperium, in dem über 100 Ethnien
zuhause waren.
Das
russische Vielvölkerreich war in den letzten Jahrzehnten der
Zarenherrschaft noch einmal angewachsen: Im fernen sibirischen Osten
ebenso wie in Zentralasien wehten die weiss-blau-roten Fahnen der
Zarenmacht. Die russischen Beamten versuchten, Herren des Landes zu
werden, stiessen dabei aber oft an ihre sprachlichen und kulturellen
Grenzen. Zur selben Zeit wuchsen die innenpolitischen Unruhen im Reich:
Menschen wehrten sich gegen die autokratische Regierung, gegen Zensur
und Bevormundung. Terroristen hatten sogar 1881 mit Alexander II. einen
Zaren ermordet.
Als
Nikolai II. im Jahre 1896 mit seiner Gemahlin Alexandra Fjodorowna,
einer gebürtigen Hessin, den Thron bestieg, stand er dementsprechend vor
riesigen Herausforderungen. Er strebte nach einer russischen, auf die
orthodoxe Kirche gestützten Einheit des Reichs, das zudem militärisch
stark genug sein sollte, um mögliche Invasoren zu besiegen und imperial
auftreten zu können. Die forcierte Industrialisierung ging Hand in Hand
mit steigender Armut und wachsender Unzufriedenheit breiter
Bevölkerungsmassen. Parallel dazu intensivierte sich durch die
mittlerweile durch das Land schnaufende Eisenbahn eine russische und
ukrainische Kolonisierung Sibiriens und Zentralasiens.
Bauern
zogen wegen Landarmut und Hunger aus dem Westen des Imperiums in die
Freiheit des Ostens. Gleichzeitig wurden diese fernen Gebiete Orte der
Verbannung für Andersdenkende und
Revolutionäre wie Lenin, Trotzki oder Stalin.
Das
Russland um 1900, das auf den Postkarten dargestellt ist und das die
Schreiberinnen und Schreiber unserer Karten bereisten, war ein unruhiges
Land im Aufbruch mit einer multikonfessionellen und multiethnischen
Gesellschaft, mit wenigen Intellektuellen und Industriearbeitern, aber
mit vielen armen Bauern und von schier unkontrollierbarer Grösse. Von
Anfang an regierte Nikolai II. gegen sozialpolitische Probleme an, ohne
deren Wurzeln zu bekämpfen und ohne wirkliche Lösungen zu erzielen. Sein
Handeln blieb glücklos: Nikolai II. sollte der letzte russische Zar
sein. Nach einer ersten Revolution im Jahre 1905 folgten zwei weitere
Revolutionen, im Februar und im Oktober 1917, nach denen mit dem Sturz
der Zarenregierung auch das alte Russland langsam unterging.
Die
Postkartenreise entführt in ein vergangenes Reich. Zeitgenossen wurde es
durch Berichte und eben dank Postkarten nähergebracht. Im heimischen
Lehnstuhl sitzend, konnten die Menschen hierzulande das Zarenreich
erkunden, von Völkern und Städten träumen, an der Reise ihrer Freunde
und Bekannten über den Ural nach Asien teilnehmen. Grund genug also,
heutzutage einen Ausflug in das vergangene Russland mittels der
Postkarten von einst anzutreten.
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